Die Brennweite einer Röntgenlinse hängt von der Photonenenergie, vom Krümmungsradius der brechenden Oberflächen, dem Linsenmaterial und der Anzahl an hintereinander angeordneten Linsenelementen ab. Da der Brechungsindex des Linsenmaterials einer CRL nicht geändert werden kann und der Krümmungsradius der brechenden Oberflächen einer fertigen Röntgenlinse auch nicht, lässt sich eine variable Brennweite einer Röntgenlinse über eine Änderung der Anzahl der Linsenelemente im Röntgenstrahl erreichen. Röntgenlinsen, deren Brennweite sich einstellen lässt, werden als Transfokatoren oder Zoom-CRLs bezeichnet. Genau genommen sind Transfokatoren Optiken, deren Brennweite sich in Schritten ändern lässt und Zoomlinsen solche, bei denen sich die Brennweite stufenlos ändern lässt. Refraktive Röntgenoptiken, deren Brennweite fast stufenlos variabel ist, bezeichne ich hier als Zoom-CRLs.
Transfokatoren
Die meisten Transfokatoren sind Systeme, bei denen pneumatische oder andere elektromotorische Aktoren einzelne Beryllium-Linsenelemente oder Gruppen (meist aus 1, 2, 4, 8,... Linsenelementen) aus solchen Linsenelementen in den oder aus dem Röntgenstrahl bewegen. Da ich keine Rechte an den Bildern habe, hier einige Links zu solchen Geräten: Transfokator, 2010; Microfocusing transfocator, 2012; F-Switch, 2016; Compact transfocator, 2019
Vorteile sind, dass die verbauten Beryllium-Linsenelemente wegen ihrer hohen Wärmeleitfähigkeit gut gekühlt werden können und dadurch ein Einsatz im weißen, polychromatischen Röntgenstrahl möglich ist. Nachteilig ist, dass die meisten Geräte mit Abmessungen von über 1/2 m relativ groß sind und damit schwieriger in Versuchsaufbauten zu integrieren. Zudem wurden die Beryllium-Linsenelemente nur mit diskreten Krümmungsradien von 50 µm, 100 µm, 200 µm, 300 µm, 500 µm, 1 mm, 1,5 mm... gefertigt. Dadurch lassen sich auch durch geschicktes Kombinieren von Linsenelementen nicht alle gewünschten Brennweiten erreichen.
LIGA-Zoom-CRLs
Auf Basis von mittels Röntgentiefenlithografie gefertigter CRLs wurden am KIT/IMT seit 2017 Zoom-CRLs (Abb. 1) für monochromatische Strahlung entwickelt, bei denen die Linsenelemente auf den Enden von Biegefingern aus Silizium stehen. Durch ein Umlegen von Exzenterhebeln können die etwa 30 Biegefinger (jeweils für die vertikale und die horizontale Fokusrichtung) gebogen und damit die Linsenelemente auf dem jeweiligen Biegefinger aus dem Röntgenstrahl genommen werden. Die Krümmungsradien der optischen Oberflächen der Linsenelemente entlang der CRL variieren im Prozentbereich, was eine fast stufenlose Einstellung der Brennweite durch eine geschickte Kombination unterschiedlicher Linsenelemente ermöglicht. Da die Brennweite in vertikaler und in horizontaler Richtung unabhängig voneinander eingestellt werden können, lassen sich auch gezielt astigmatische Optiken realisieren.
Zum Beispiel kann (je nach verbauter CRL) eine gewünschte Brennweite von 300 mm auf 25 µm genau konstant gehalten werden, auch wenn die Photonenenergie im Bereich von 8-18 keV variiert. Oder eine lange Brennweite von beispielsweise 5 m lässt sich für eine Photonenenergie von 12 keV, bei der nur wenige Linsenelemente im Strahl stehen, auf 2 mm genau einstellen.
Die Zoom-CRL hat eine Masse von etwas einem Kilogramm und ein Bauvolumen von etwa einem Liter. Die Einstellung einer anderen Brennweite dauert etwa 25 s. Dazu bewegt ein Schrittmotor einen Greifer zu den entsprechenden Biegefingern und ein zweiter Schrittmotor bewegt eine Schwinge mit dem Greifer so, dass der jeweilige Exzenterhebel umgelegt wird. Die Brennweite bleibt auch bei einem Stromausfall erhalten. Die gewünschte Brennweite und die Photonenenergie werden in einem dazugehörigen Programm eingegeben, das berechnet, welche Linsenelemente im Strahl stehen müssen, und diese Kombination über einen Mikrokontroller an der LIGA-Zoom-CRL einstellt.
Abb. 1: CAD-Ansicht einer LIGA-Zoom-CRL mit Linsenelementen 1, Biegefingern 2, Exzenterhebeln 3, Anschlagstangen 4, Schrittmotoren 5 und 6, Schwinge mit Zahnriemen 7, Endschalter 8, Positionssensor 9 und Anschlussbuchsen 10 (links); Foto einer LIGA-Zoom-CRL (rechts)
Hier ein Video zur Zoom-CRL zum Herunterladen (5 MB). Abbildung 2 zeigt das Gesamtsystem.
Abb. 2: Ansicht der Zoom-CRL mit Steuerungselektronik, Netzteil und Notebook mit Ansteuerprogramm
Drehzoomoptiken
Mit sogenannten Alligatorlinsen ließen sich ebenfalls Zoom-Röntgenoptiken mit Punktfokus realisieren. Dazu müssten zwei Paar jeweils fast parallele, gerillte Substrate so angeordnet werden, dass sich der Keilwinkel zwischen den benachbarten Substraten sehr genau regulieren lässt. Das würde vier Drehaktoren mit etwa 100 µrad Winkelschritten erfordern und wäre damit mechanisch aufwändig.
Abb. 3: Aligator-Zoomoptik mit Linienfokus. Für einen Punktfokus müsste eine weitere solche Optik unter 90° um die optische Achse gedreht hinter dieser Optik angeordnet sein.
Eine mechanisch einfachere Variante hat W. Jark mit einer Prismendrehzoomoptik mit Punktfokus vorgeschlagen. Eine Mikrostruktur wie in Abbildung 4 fokussiert den einfallenden Röntgenstrahl. Wird sie um die im Bild grau eingezeichnete, unter 45° stehende Achse gedreht, so verlängert sich die Brennweite mit zunehmendem Drehwinkel. Vorteile einer solchen Optik sind die sehr schnelle Einstellbarkeit der Brennweite und der einfach mechanische Aufbau. Nachteilig ist die reduzierte Fokusqualität aufgrund der herstellungsbedingten Verrundungsradien der im Strahl stehenden Prismenkanten.
Abb. 4: CAD-Zeichnung einer Prismendrehzoomoptik mit Punktfokus; die Brennweite wird durch Drehung um die eingezeichnete Achse eingestellt
Abbildung 5 zeigt die gemessene Intensität im Fokus (5 µm x 19 µm, spektrale Intensitäterhöung SIE = 85) einer Prismendrehzoomoptik 580 mm hinter der Optik. Die beiden orangenen Quadrate oben links und unten rechts geben die Strahlintensität ohne Optik wieder.
Abb. 5: Gemessene Intensität im Fokus einer Prismendrehzoomoptik, die Bildkantenlänge entspricht etwa 1 mm